Vorläufer des Amtsgerichts Borken

Femeiche Die Femeiche in Raesfeld-Erle
Quelle: Kreis Borken

Eine Rechtsprechung ist für unser Land schon für die Zeit vor Karl dem Großen zu vermuten. Bei Voll- oder Neumond traten die freien Männer der Landsgemeinde oder eines Gaues zur Beratung und zum Gericht an bestimmten Orten (Thing) zusammen. In den Versammlungen sprachen alle Freien das Urteil, das der Vorsitzende verkündete und vollstreckte. Auf frischer Tat ertappte Verbrecher konnten auch von den durch Geschrei (Gerüfte) zusammengerufenen Nachbarn verurteilt werden. Soweit nicht die Lands- oder Gaugemeinde richtete, waren die Gogerichte (Gogreven oder Gorichter an der Spitze der Gaue) und in Kriegszeiten Herzöge für die Rechtsprechung zuständig.

Ab der Zeit Karls des Großen (800) ernannte der Kaiser die Landrichter für die höhere Justizverwaltung. Die Grafen waren als Verwalter, Heerführer und Richter eingesetzt. Ab jener Zeit gab es mit der „Lex Saxorum“ auch ein erstes geschriebenes Recht. Neben dem Grafengericht (für die Blutgerichtsbarkeit) gab es weiterhin das Gogericht für die niedere Gerichtsbarkeit.

Rekonstruktion Rave Borkener Rathaus als Sitz des Gerichtes, Rekonstruktionszeichnung von Wilhelm Rave (1953)
Quelle: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Kreis Borken, Stadtarchiv Borken
Zustand bis 1826 Rekonstruktionszeichnung des Zustandes bis 1826, von Stadtbaumeister Perle um 1900
Quelle: Stadtarchiv Borken
1226

Mit der Übernahme der Landeshoheit durch die Fürstbischöfe von Münster ging auch die Gerichtsbarkeit auf diese über, die dazu Vögte einsetzen. In Borken, das zwischen 1222 und 1226 vom Bischof zu Münster Stadtrecht erhielt, war der Stadtrichter häufig zugleich Landrichter und Gograf, er wurde daher „Richter binnen und buten Borken“, oder „Gograf zum Venne und zum Homborn“ oder „aufm Braem“ genannt.

1572

Bei Einrichtung des Hofgerichts 1572 wurden die Gogerichte Untergerichte, bewahrten aber ihre Rechte als Volksgerichte, bis sie von den Amtsgerichten übernommen wurden. Daneben gab es die Freigerichte (z. B. Sölling bei Heiden, Wedding bei Gemen) und Vemegerichte (die sich später zu Geheimgerichten entwickelten). Vor der Säkularisation waren im Bezirk des Land- und Stadtgerichts Borken sowohl ein fürstbischöfliches Stadtgericht in Borken und ein fürstbischöfliches Gogericht zuständig, als auch verschiedene herrschaftliche Gerichte. Nach der Säkularisation 1803 gab es dann fürstliche (Borken) und private (Velen, Gemen) Gogerichte. Während der französischen Zeit (1811 bis 1813) war ein Friedensgericht in Borken ansässig.

1815

Als nach dem Wiener Kongress auch das westliche Münsterland Teil des Königreichs Preußen geworden war, führte die preußische Regierung am 9. 9. 1814 die preußische Gerichtsverfassung mit Land- und Stadtgerichten  sowie Oberlandesgerichten als zweite Instanz ein. Im Jahre 1815 wurde Borken daher Sitz eines Land- und Stadtgerichts. Untergebracht war es in dem um 1500 erbauten städtischen Rathaus, das 1826 für diesen Zweck umgebaut wurde. Das Gefängnis befand sich von 1806 bis 1908 in einem Borkener Stadtturm ("Diebesturm").

Ansicht um 1900 Borkener Rathaus um 1900
Quelle: Stadtarchiv Borken
1849

Im Jahre 1849 wurde das Gericht in ein Kreisgericht umgewandelt, das einige Gerichtskommissionen in Bocholt unterhielt. Das Kreisgericht war ebenfalls im Rathaus untergebracht, das 1850 nochmals umgebaut wurde, indem nach Süden eine fünfte Achse eingebaut, der Arkadengang zugemauert, die Fenster vergrößert und ein Walmdach mit Giebel aufgebracht wurde. Gerichtstage wurden bis 1874 in Anholt und Groß-Reken abgehalten. Zum 1. 1. 1876 wurde das Kreisgericht Borken aufgehoben und als ständige Gerichtsdeputation dem Kreisgericht in Coesfeld angegliedert.

Das Amtsgericht Borken

Amtsgericht Altes Amtsgericht
Quelle: Stadtarchiv Borken

Im Jahre 1879 erhielt Borken ein (königlich preußisches) Amtsgericht, das zunächst auch noch im alten Rathaus in Borken residierte und Gerichtstage in Groß-Reken abhielt.

1902

In den Jahren 1901/02 wurde an der Raesfelder Straße Nr. 12 ein neues justizeigenes Amtsgerichts- und Gefängnisgebäude errichtet, das am 1. 10. 1902 bezogen wurde.

Der Gefängnisflügel beeinträchtigte mit seiner übermäßig hohen und weit ausgedehnten Brandmauer zum unbebauten Nachbar­grundstück hin das Stadtbild in seiner näheren und weiteren Umgebung stark. Diesem Übelstand wurde 1938 durch Errichtung eines Satteldaches anstelle des vorherigen Pultdaches etwas abgeholfen. Bis zum 1. 6. 1939 war im Gerichtsgebäude auch das Katasteramt untergebracht.

Von Kriegszerstörung blieb das Amtsgerichtsgebäude verschont.

Nach dem Mord an dem Justizoberwachtmeister Valentin im Dezember 1954 durch vier ausbrechende Gefängnisinsassen wurde das Gerichtsgefängnis wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen im Jahre 1956 geschlossen und im Jahr 1973 abgerissen.

1975

Aufgrund der kommunalen Neugliederung wurde zum 1. 1. 1975 auch die Stadt Gescher, die vorher zum Kreis (und Amtsgerichtsbezirk) Coesfeld gehört hatte, und die 1969 neu gebildete Gemeinde Südlohn, die vorher zum Kreis Ahaus (und Amtsgerichtsbezirk Vreden) gehört hatte, dem Amtsgerichtsbezirk Borken zugeschlagen. Die Zahl der Bediensteten erhöhte sich dadurch beim Amtsgericht Borken schlagartig. Statt bisher drei, waren nun fünf Richter beschäftigt, neun (statt vorher fünf) Rechtspfleger, zwölf (statt vorher sieben) Beamte, 14 (statt vorher acht) Schreibkräfte in der Kanzlei und jeweils drei (statt vorher zwei) Wachtmeister bzw. Gerichtsvollzieher. Daher bezog das Amtsgericht am 1. 7. 1977 zusätzliche Räume an der Raesfelder Str. 18.

 

Neues Amtsgericht Das heutige Gebäude
Quelle: © Amtsgericht Borken
Altes Amtsgericht heute Das Alte Amtsgericht heute (2013)
Quelle: © Amtsgericht Borken
1992

Nachdem das Gerichtsgebäude insgesamt zu klein und die Raumaufteilung für moderne Bedürfnisse unvorteilhaft geworden war, wurde der jetzige Neubau an der Heidener Straße errichtet. Nach gut zweijähriger Bauzeit zog das Amtsgericht im Sommer 1992 in das neue Gebäude an seinem jetzigen Standort an der Heidener Straße 3.

 

 

Das Gebäude des alten Amtsgerichts befindet sich nun in Privateigentum und beherbergt heute - mit einem modernen Anbau für Büros - eine Steuerberatungs- und Wirtschafts­prüfungs­gesellschaft und eine Rechtsanwalts- und Notariats­kanzlei.

Quellen: Auszüge aus „Das Gerichtswesen im Münsterland“, Denkschrift zur Einweihung der Justizneubauten in Münster (Westfalen) am 21. Dezember 1957 von Justiz- und Kassenrat a. D. Karl Oppenheim, Münster (für den Zeitraum bis 1939); Unsere Heimat im Luftbild, Heimatverein Borken 1996; redaktionelle Mithilfe: R. Koormann, Heimatverein Borken